„Warum ausgerechnet Effeltrich?“ das ist eine Frage, die man sich selber, der Familie, den alten und auch den neuen Freunden beantworten muss, wenn man nach Effeltrich (von wo auch immer kommend) umzieht. Ja, was spricht eigentlich dafür, sich für diesen Ort zu entscheiden? Die gute Verkehrsanbindung nach Erlangen, Forchheim und Nürnberg, die in der Bürgerbroschüre gleich eingangs gepriesen wird? Ein (noch) vertretbares Preis-Leistungs-Verhältnis bei Mieten und Hauspreisen? Eine recht gute Lage für diverse Wochenend- und Sportaktivitäten? Ruhe und Rückzugsmöglichkeit für gestresste Power-Berufler? Das „ursprüngliche“ und das „urige“, eine homogene, traditionsbewusste Nachbarschaft? Ein Hauch ländlicher Exotik für Großstadt-Flüchtlinge wird bei diesen Antworten hoch beschworen…
Was aber spricht für Effeltrich, wenn man hierher mit einer Familie umziehen möchte? Das bloße Vorhandensein eines Kindergartens und einer Grundschule vor Ort sind heutzutage selbstverständlich. Gute Busverbindungen zu den weiterführenden Schulen ebenfalls und zudem kein Verdienst der Gemeinde. Vielleicht das oft bemühte und idealisierte Bild vom „sicheren Aufwachsen der Kinder auf dem Lande?“ Was ist aber mit der Grundversorgung für Familien? Wo kauft man hier eigentlich ein? Ja… bei dieser Frage kommen die „alteingesessenen“ Effeltricher in arge Erklärungsnot: die einen fahren nach Forchheim, die anderen nach Baiersdorf oder Neunkirchen und der Rest kauft auf dem Rückweg von dort ein, wo man halt arbeitet. Ja und die Dorfgemeinschaft erscheint einem plötzlich weder „homogen“ noch „ruhig“… Denn diese Frage spaltet und entzweit. Und die Antwort auf sie wurde im Ort zu einem heißen Politikum. Als Neubürger tritt man in viele Fettnäpfchen, bis man „raus hat“, wer wohin gehört. Auch das Gestalten einer geselligen Runde mit den Nachbarn verlangt deswegen viel Fingerspitzengefühl. Was tun?
Sich nicht einmischen? Neutralität wahren? Geht nicht! Die Frage des kleinen täglichen und des großen wöchentlichen Einkaufs ist für Familien eine der grundlegenden. Mit ihr hängt oft die Frage nach der Notwendigkeit eines zweiten Autos, die Frage des Zeitmanagements und der Organisation. Die Argumente Pro- und Contra Einkaufsmarkt flattern in bunten Blättern mit der Post ins Haus rein und man liest sie staunend. Nun lassen wir all die rechtlichen und politischen „Blüten“ dieses Streites beiseite. Wer sich darin auskennt, fragt sich eh, warum es dem Gemeinderat an offensichtlicher politischer Kompetenz fehlt, warum grundlegende basisdemokratische Regeln missachtet werden und warum ein Vorwurf der Vorteilsnahme noch nicht untersucht wurde. Belassen wir es diesmal nur bei der Frage, um die es bei dem nahen Bürgerentscheid geht: zentrumsnaher Supermarkt in Effeltrich ja oder nein?
Sprechen die Befürworter eines Supermarktes von der offensichtlichen Versorgungslücke in Effeltrich, von der geringen Infrastruktur und der damit verbundenen fehlenden Attraktivität für Neubürger und Familien, so sprechen sie von dem Hier und Jetzt ihres Ortes und auch von der zukünftigen Entwicklung der Gemeinde.
Die Gegner eines Supermarktes bemühen dagegen stark idealisierte Begriffe, wie Geschichte, Tradition und Schönheit des Ortskerns; sie sorgen sich um das Wohlergehen von (einigen wenigen) Familien mit ihren Klein- und Hofläden, warnen von einem steigenden Verkehrsaufkommen.
Nun, wenn man die Bürgerbroschüre der Verwaltungsgemeinschaft Effeltrich in den Händen hält, mit den all den Trachten und Linde und Kirche und Obstbäumen, ahnt man, wie wichtig das Bewahren für das Selbstverständnis der Effeltricher ist. Doch wird diese Substanz wirklich gefährdet, wenn ein Supermarkt in Effeltrich gebaut wird? Nein! Mit Sicherheit nicht! Denn diese Ortschaft ist kein Trachten-Freilichtmuseum unter Denkmalschutz stehend und nur vom Tourismus lebend.
Was die Schönheit des Dorfkerns betrifft, so vermag heutzutage kein Supermarktneubau hässlicher zu
erscheinen als das besagte Grundstück es bereits und seit langem schon ist: ein verwahrloster
„Kartoffelacker“ gegenüber der Tankstelle, geschmückt mit einem Umspannturm und umgeben von einer
Mülltonnen und Hausrückseiten-Tristesse…
Dieses Grundstück als das „schöne Dorfzentrum“ zu beschwören, das es zu bewahren und für „ein
blühendes Gemeindeleben“ zu verteidigen gilt – wie es die Gegner des Supermarktes in ihren Flugblättern
tun – verlangt nicht nur Phantasie, sondern einer wörtlich Blinden Heimatliebe. Bei all diesen Argumenten
verlegen die Supermarkt-Gegner überraschend den geschichtlichen woanders belegten Ortskern hinter das
(neue) Rathaus und planen an dieser Stelle mal ein Alters- und Pflegezentrum, mal träumen sie gar von
neuen Spielplätzen dort. Spielplätze? Für wen denn? Woher sollen die Kinder denn kommen, wenn man sich
aktuell in Effeltrich ernsthaft um den Fortbestand der Grundschule sorgen macht?!
Und das Thema Verkehrsaufkommen: Es sind sooo viele Effeltricher, die in Forchheim, Erlangen und
Nürnberg arbeiten und die ausgerechnet die günstige Anbindung an ihre Arbeitsplätze zu schätzen wissen,
dass es für die Gemeinderäte angebracht wäre, nicht über das nachmittägliche Verkehrsaufkommen zu
stöhnen, sondern über ein modernes Verkehrskonzept für Effeltrich nachzudenken. Die Schulkinder müssen
mit diesem Zustand täglich alleine und auf ihre Weise zurechtkommen, und ihre Sicherheit scheint
niemanden wirklich zu beunruhigen. Darüber hinaus ärgert sich im Gemeinderat wohl niemand über die
offensichtlich fehlenden Parkplätze vor der Arztpraxis, Apotheke und an den Obstbaumschulen.
Ein Supermarkt in Effeltrich gefährdet angeblich das Überleben von Kleinbäckereien und Hofläden.
Einige der Supermarkt-Gegner treten hier gerne als erhabene Gralsritter und als ausschließlich auf
Bioprodukte bedachte Konsumenten auf. Nun – ein jeder von uns Effeltrichern kauft gerne sein Brot und
Kuchen und Gemüse in diesen Kleinläden ein. Und man schätzt heimische Produkte, freut sich über das
kleine Gespräch und das Wiedersehen mit freundlichen Menschen. Doch solange man dort weder den
Wocheneinkauf für eine Familie noch mit einer EC-Karte zahlen kann, und man Öffnungszeiten mit
ausgedehnten Mittagspausen berücksichtigen muss, bleibt der netteste Bäckerladen keine echte Alternative
zu einem Supermarkt. Diese Tatsache darf nicht übersehen werden! Auch wenn man im Supermarkt den
Großeinkauf tätigt, fährt man dennoch zu „seinem“ Bäcker um die Ecke, um dort „sein“ Brot und „seinen“
Kuchen zu kaufen, um das Neueste zu erfahren und weil die Kinder dort so lieb angesprochen werden und
einen Lutscher bekommen. Das ist nämlich ein Stückchen Tradition und ein Stückchen Heimat. Und um
diese geht es uns allen – den Befürwortern und den Gegnern des Supermarktes.
Bewahren und dennoch nach vorne schauen. Und an Familien in Effeltrich denken: Denn oft hängen
bei unseren Kleinläden an der Tür Annoncen wie „Junge Familie mit 2 Kindern sucht dringend Haus oder
Baugrundstück in Effeltrich oder Umgebung“. Auch dafür ist ein Bäckerladen vor Ort gut – als Ort der
Kommunikation. Wir sollten nur aufpassen, dass diese jungen Familien nicht WOANDERS fündig
werden… Denn dann bleiben auch der netteste Bäckerladen und der neue Spielplatz irgendwann leer. Und
Effeltrich das, was es jetzt schon zu werden droht: eine kleine, traditionsreiche Gemeinde zwischen
Forchheim und Erlangen, mit einer beinahe Tausendjährigen Linde und einer beinahe menschenleeren
Ortsmitte…
Warum Effeltrich? Betrachtungen eines Neubürgers